Fallenlassen der Illusion

Erwachen kann durch einen Überraschungseffekt geschehen, der dazu führt, dass die Person für einen Moment innehält und das zeitlose Gewahrsein die Erfahrung dominiert. Laut Adyashanti ist das dann aber nicht unbedingt dauerhaft, denn es könnte etwas im Alltag auftauchen, was uns wieder in die alten Muster zurückfallen lässt. Wenn man sich nicht zu helfen weiss, ist man in dieser Hinsicht dem Geschehen ausgeliefert. Besser man hat eine Methode, die das Loslassen und Hingabe ermöglicht. Besser man hat eine Methode, die Aktivitäten, die die Wahrnehmung des zeitlosen Gewahrsein verschleiern, zu bemerken.

Erwachen kann durch Aufgabe, Kapitulation geschehen, wenn jemand die Waffen streckt, weil er entweder aufgrund eines Leidens verzweifelt ist (z.B. Eckhard Tolle) oder weil er merkt, dass zu starkes Wollen sinnlos ist.

Erwachen kann durch immer vollständigere Reinigung geschehen, wenn die Person so dekonditioniert ist, dass ihre Aktivität so gering werden kann, dass das zeitlose Gewahrsein die Erfahrung überwiegen kann. Dies ist ein gradueller Weg mittels Meditation und/oder psychologischen Methoden. Hierzu zählt auch der Wholeness Process von Connirae Andreas.

Erwachen kann auch durch Fallenlassen der Illusion geschehen, die wir glauben zu sein, z.B. die Person, der Wille, deine Geschichte, dein Selbstbild, etc. Das Fallenlassen der Illusion ist umso leichter, je mehr man seinem Innenleben vertrauen kann. Um dieses Vertrauen aufzubauen, empfielt sich eine zeitlang Wholeness Process als Meditation praktiziert zu haben.

Für dieses Fallenlassen, das Herunterfahren, der Illusion gibt es folgende Technik, die wir erfolgreich bei Personen eingesetzt haben, die erwachen wollten und bei solchen, deren Erwachen nicht dauerhaft war:

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Sämtlichen Erfahrungen geht das mühelose Gewahrsein voraus. Wenn dich jemand berührt, brauchst du nicht erst Gewahrsein an die Stelle des Körpers zu bringen, sondern nimmst es einfach wahr, ohne etwas tun zu müssen. Dieses Gewahrsein geht durch deinen gesamten Körper. Wenn du die Augen schließt, stellt sich sofort ein Raumgefühl ein und du nimmst Geräusche um dich herum mühelos wahr. Also erstreckt sich das Gewahrsein über deinen Körper hinaus. Wenn du die Augen öffnest, kannst du mühelos die Wolken am Himmel sehen. Dein Gewahrsein erstreckt sich also mindestens bis zu den Wolken. Nachts kannst du die Sterne sehen. Wir stellen fest, dass das Gewahrsein keine wahrnehmbare Grenze hat.

2

Wie repräsentierst du dieses Gewahrsein in deiner subjektiven Wahrnehmung? Wo ist es lokalisiert? Welche Ausdehnung hat es? Hat es auch eine Ausdehnung, die über deinen Körper hinaus geht? Geht die Ausdehnung evtl. auch nach oben und unten, oder nur seitlich? Bei jedem ist die subjektive Vorstellung des Gewahrseins anders. Ist das Gewahrsein eher leicht oder eher schwer? Eher dunkel oder eher hell? Ist es eher warm oder kalt? Gibt es eine Vibration? Gibt es eine Textur? Hat das Gewahrsein eine scharfe oder diffuse Grenze? Hier gibt es keine richtigen oder falschen Antworten. Erstelle eine Liste der wahrnehmbaren Eigenschaften deiner subjektiven Wahrnehmung des Gewahrseins.

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Wer glaubst du zu sein? Die Person, dein Wille, deine Geschichte, dein Selbstbild? Nachdem du diese Frage beantwortet hast, ermittele die wahrnehmbaren Eigenschaften deiner subjektiven Repräsentation von dem, der oder die du glaubst zu sein. Um leichter formulieren zu können, nehmen wir an, es handele sich um deine Person. Wo ist sie lokalisiert? Welche Ausdehnung hat sie? Hat sie eine Ausdehnung, die über deinen Körper hinaus geht? Ist sie eventuell kleiner als dein Körper? Bei jedem ist die subjektive Vorstellung der Person anders. Ist die Person eher leicht oder eher schwer? Eher dunkel oder eher hell? Ist sie eher warm oder kalt? Gibt es eine Vibration? Gibt es eine Textur? Hat die Person eine scharfe oder diffuse Grenze? Erstelle wieder eine entsprechende Liste.

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Nimm nun eine der wahrnehmbaren Eigenschaften der Person, die sich stufenlos verändern lässt, z.B. die Ausdehnung oder die Helligkeit, und verändere sie ein kleines bisschen in Richtung der entsprechenden wahrnehmbaren Eigenschaft des Gewahrseins. Wenn das Gewahrsein z.B. 50 Meter über deinen Körper hinaus ausgedehnt ist und deine Person eine geringe Ausdehnung hat, kannst du die Ausdehnung der Person leicht vergrößern. Rechne damit dass du dabei auf Schwierigkeiten stößt. Schwierigkeiten können sich z.B. wie folgt äußern:

  • Das Verändern einer Eigenschaft verändert eine andere in die entgegengesetze Richtung. Wenn z.B. das Gewahrsein eine große ausdehnung hat und eine diffuse Grenze, kann es sein, dass die Vergrößerung der Ausdehnung deiner Person die Grenze deiner Person schärfer macht.
  • Die Veränderung der Eigenschaft kostet erhebliche Anstrengung und bleibt nicht von selbst aufrechterhalten.
  • Es kommt zu Reaktionen wie Angst, Widerwillen, etc.

Es kann auch etwas auftreten, das die Situation übernehmen will. Wenn dies passiert, solltest du dich daran erinnern, dass kurz vor dem Erwachen Passivität gefragt ist. Es ist Hingabe gefragt und dass du erlaubst, dass etwas die Situation übernimmt. Das, was die Situation übernimmt, wird überraschend sein und du wirst nicht vorhersagen können, was und wie es ist. Erinnere dich an Wholeness Process as Meditation, wie gutartig dieser Prozess ist. Dort löst du innere Kontraktionen auf. Danach tritt ein stärkeres Gefühl von wholeness ein. Hingabe und Passivität bewirken, dass das, was die Situation übernimmt, nicht gehindert wird und das Ergebnis unerwartet, aber mindestens genauso gut für dich ist, wie das Auflösen innerer Kontraktionen.

Du solltest möglichst mit Neugier und ohne Erwartung an dieses Erleben herangehen. Falls du nicht erwachst, wirst du durch diese Technik wertvolle Informationen über die Funktionsweise dessen gewinnen, was du glaubst, zu sein. Diese Informationen sind sehr wichtig und können dir auf dem spirituellen Weg helfen. Alles, was geschieht, ist hilfreich.

Rechne an dieser Stelle mit Schwierigkeiten und heiße sie willkommen, da sie dir helfen werden, passende Resourcen zu finden.

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Falls also eine Schwierigkeit auftritt, kannst du folgendes tun:

  • Nimm eine andere wahrnehmbare Eigenschaft und verändere diese. Falls z.B. beim Ausdehnen die Grenze schärfer wird, kannst du die Person heller machen. Hilft das die Grenzen wieder diffuser zu machen? Probiere ggf. aus, was passiert, wenn du andere wahrnehmbare Eigenschaften veränderst.
  • Frage dich: Welche Resource ist jetzt nötig? Gibt es einen bestimmten Menschen oder ein Symbol, dessen Verbindung jetzt hilfreich wäre? Stelle diesen Menschen oder das Symbol in deine Nähe und verbinde dich mit diesem Menschen oder dem Symbol. Die Verbindung kann z.B. durch einen Faden, einen Lichtstrahl, eine bestimmte Energie, etc. hergestellt werden. Ändern sich durch diese Verbindung eine oder mehrere wahrnehmbaren Eigenschaften deiner Person? Tritt evtl. etwas Unerwartetes auf? Bleibe in passiver Wahrnehmung dessen, was jetzt geschieht. Schöpfe hier aus dem Vollen und nimm starke, wirkungsvolle Resourcen, die dir “beistehen”.

Beispiele für Resourcen, mit denen du dich verbinden kannst:

  • Menschen, die du gut kennst, z.B. wichtige Mentoren
  • Charaktere aus Büchern oder Filmen
  • Personen des öffentlichen Lebens, z.B. der Dalai Lama
  • Symbole, z.B. ein Buddha, eine Lichtkugel, ein Berg, ein Baum, ein Schwert

Du entscheidest mit deinem Gefühl bzw. deiner Intuition, was geeignet ist. Es ist dabei unwichtig, was objektiv “richtig” wäre, sondern einzig dein subjektives Erleben entscheidet.

Es könnte etwas auftreten, das du ablehnst. Frage dich dann, was du hinzunehmen kannst, damit du das, was du bisher abgeleht hast, annehmen kannst. Es könnte der Schlüssel zum Erwachen sein.

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Verändere mit Hilfe von Schritt 4 und 5 die wahrnehmbaren Eigenschaften der Person langsam in Richtung der wahrnehmbaren Eigenschaften des Gewahrseins. Diese Veränderungen sollten dazu führen, dass du immer mehr loslassen und geschehen lassen kannst, d.h. sie sollten eher entspannend und Aktivität-veringernd wirken.

Viele spirituelle Lehrer beschreiben das Erwachen als etwas von Drama begleitetes, bei dem z.B. das Fallen(-lassen) in einen Abgrund auftritt. Wir glauben, dass Drama auftritt, wenn die Schritte in Richtung Erwachen zu groß sind und daher Widerstand oder Angst auftritt. Daher empfehlen wir, die wahrnehmbaren Eigenschaften der Person langsam, behutsam und stufenlos zu verändern. Beim Erwachen muss kein Drama auftreten oder überwunden werden.

Nachdem man einmal die Sicht hatte, dass wir das zeitlose Gewahrsein sind, kann man lernen, “den Mind” beim Erzeugen der Illusion immer besser zu beobachten, so dass man der Illusion immer seltener glaubt, da man ja gesehen hat, wie die Illusion aufgebaut wird. Vielleicht sieht man es nicht, sondern fühlt es eher anhand einer “unnatürlichen (hohen) Aktivität”, die auch körperliche Anspannungen bewirken kann. Je besser man lernt, sich zu beobachten, desto feinere Anzeichen kann man bemerken.Eine der wirksamsten Methoden, diese hohe Aktivität zu beenden, ist Hingabe, die immer wieder neu getroffene Entscheidung, dass es jetzt nicht um die eigene Person geht und alles, was auftritt, durchfliessen darf.